Quo vadis, PEPP?

Geschrieben von Anonym am
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Viel wurde in letzter Zeit über die Zukunft oder auch nicht-Zukunft des neuen Entgeltsystems für Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) diskutiert, abgeschafft werde es nun sogar, so war nach Veröffentlichung des neuen Eckpunktepapiers [1] aus dem Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zeitweise die vorherrschende Meinung  [2].

Fachgesellschaften, Verbände, Kostenträger und Politik haben lange miteinander gerungen, und die daraus entstehenden Kompromisse riefen auf den verschiedenen Ebenen auch die unterschiedlichsten Reaktionen hervor. Der vorherrschende öffentliche Tenor war allerdings, dass das Monster PEPP besiegt sei, und dass nun alle Beteiligten unbesorgt weitermachen könnten wie bisher. Leider gilt auch hier der alte Grundsatz: Totgesagte leben länger!

Wir kennen inzwischen den aktuellen Gesetzesentwurf [3] der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) und den darin geplanten zeitlichen Ablauf. Es ist also höchste Zeit, sich genauer mit den Inhalten zu beschäftigen, um zu sehen, was am Ende vom Monster PEPP vielleicht doch noch übriggeblieben ist.

Beginnen wir mit der nun beschlossenen konzeptuellen Ausgestaltung als Budgetsystem: Damit wird u.a. der im DRG-System so heftig umstrittene Landesbasisfallwert [4] offiziell abgeschafft. Insgesamt bleibt diese Auslegung aber leider zweifelhaft, denn diese Kennzahl soll als berechnete Größe für Vergleichszwecke vorhanden bleiben. Darüber hinaus hat der Begriff „Budgetsystem“ im Gegensatz zum zuvor maßgeblichen Landesbasisfallwert die Konsequenz, dass in allen Krankenhäusern deutschlandweit Daten zu den erbrachten Leistungen, dem vorhandenen Personal und zur Qualität erhoben, an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) übermittelt und von diesem wiederum als Vergleichswerte für Budgetverhandlungen zur Verfügung gestellt werden sollen. Somit wird an dieser Stelle nicht mehr nur ein Vergleich auf der Ebene der Bundesländer stattfinden, sondern nach den angekündigten Veränderungen werden sich alle Häuser deutschlandweit auf Bundesebene aneinander messen lassen müssen – egal, in welchen lokalen kostenspezifischen Bedingungen sie agieren. Grundsätzlich bedeutet dies also, dass die einzelnen Leistungserbringer keinerlei Schutz gegenüber Mitbewerbern mit aus lokalen Bedingungen erwachsenden günstigeren Kostenstrukturen mehr genießen dürfen, sondern dass mittelfristig der Preiskampf nach unten zwischen den Häusern eröffnet wird.

Darüber hinaus werden die Budgets dann zwar einzeln für jedes Haus verhandelt, die Abrechnung der jeweiligen Erlöse erfolgt aber weiterhin anhand von deutschlandweit kalkulierten und allgemein gültigen Bewertungsrelationen. Es erfolgt also nur eine Veränderung in der Berechnung des Hausbudgets, nicht eine Veränderung der Abrechnung des einzelnen Falls. Somit ist der Basisfallwert für jedes einzelne Haus der ausschlaggebende Wert, der im Wettbewerb zwischen allen Einrichtungen in ganz Deutschland und nicht mehr nur innerhalb eines Bundeslandes als Vergleich dienen wird. Ob damit eine Verbesserung zum vorigen Ablauf verbunden ist, wagen wir zu bezweifeln, denn dieses Vorgehen ermöglicht erst recht einen Preiswettkampf nach unten.

Trotzdem finden sich im Gesetzesentwurf auch einige positive Veränderungen, so sollen zum Beispiel erstmals regionale Besonderheiten und Versorgungspflichten bei der Budgetverhandlung berücksichtigt werden. Hier besteht eher das grundsätzliche Problem, dass für solche Besonderheiten noch keine Definitionen bestehen, und damit auch keine Aussagen über deren Auswirkungen getroffen werden können.

Kommen wir als nächstes zur Verminderung des Dokumentationsaufwandes sowie den neuen Datenübermittlungspflichten der Krankenhäuser, denn aus diesen Daten sollen sich ja die Budgets errechnen lassen. Unter dem Punkt „Verminderung des Dokumentationsaufwandes“ findet sich nur die Aussage, dass der OPS bezüglich seines Inhaltes jährlich zu überprüfen und anzupassen ist. Inwiefern dies eine wirkliche Veränderung oder sogar eine Verbesserung zum bisherigen Zustand darstellen soll, wird leider nicht erklärt. Insofern lässt sich hier im schlimmsten Fall eine reine Phrase erahnen, die dazu da ist, die Gemüter zu beruhigen, und nicht um eine reelle (oder überhaupt verwirklichbare) Absichtserklärung.

Grundsätzlich sehen wir nämlich eher neue und zusätzliche Probleme am Horizont auftauchen, denn es werden sehr deutlich neue Nachweis- und Übermittlungspflichten der Häuser aufgeführt.
Als erstes seien an dieser Stelle die Leistungsdaten genannt, die zum jetzigen Zeitpunkt leider nicht inhaltlich definiert sind. Die momentan sehr schwammig formulierte Hauptintention des Gesetzgebers scheint zu sein, dass diese neu zu erarbeitenden Qualitätskriterien leitliniengerecht sein sollen, um eine hohe Behandlungsqualität sicherzustellen. Darüber hinaus haben die Häuser zukünftig Personaldaten an das InEK zu übermitteln, mit denen ausgelotet werden soll, ob die Leistungen eines Haus bezüglich des Personalstandards leitliniengerecht erfolgen. Eine wirkliche Definition für die personelle Ausstattung wird sich aber anhand dieser Daten erst in den nächsten Jahren wirklich errechnen lassen – falls dieses Vorhaben überhaupt gelingen kann. Zusätzlich sollen weitere Daten zu Qualitätssicherung in den Häusern erhoben werden, wobei auch hier der Umfang und der Inhalt der Daten nicht sicher zu bestimmen ist. Zusammen genommen werden diese Punkte aus unserer Einschätzung allerdings sicher den Dokumentations- und Verwaltungsaufwand in den Häusern gerade nicht senken, zumal auch die dadurch zu entstehenden Kosten nicht absehbar sind – weder auf der Ebene der einzelnen Behandler, der Verwaltung oder auch der dann erst zu definierenden und zu implementierenden Krankenhaus-IT.

Für die Patienten kann man an dieser Stelle wenigstens positiv herausstellen, dass hiermit mindest-Personalstandards im PEPP-System definiert werden sollen, die dann auch überwacht sowie im Verlauf sanktioniert werden können. Trotzdem lässt sich aus Sicht der Leistungserbringer bestimmt nicht davon ausgehen, dass es hier zu einer Kostensenkung kommen wird, weder kurz- noch langfristig.

Generell zu begrüßen ist die Aufnahme der stationsäquivalenten Behandlung in das Entgeltsystem. Allerdings lassen sich auch hier in der Ausgestaltung schon die ersten (schwerwiegenden) Haken erkennen. So lässt sich in §39 SGB V lesen:

„Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung während akuter Krankheitsphasen im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams. Sie entspricht hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung.“

Es ist genau dieser zweite Teilsatz, der für die meisten Anbieter schwerlich zu erfüllen, geschwiege denn nachzuweisen sein dürfte. Dieser Satz stellt vielmehr die bisher laufenden Projekte im Hometreatment infrage, denn die daraus erwachsenden Konsequenzen für Personaldecke und weitere Kostenpunkte lassen sich schon erahnen. Schlimmer noch aus der Sicht der Leistungserbringer wird aber sein, dass für jeden entsprechend so geschaffenen Behandlungsplatz im Rahmen eines Hometreatments die eigene Bettenkapazität für stationäre Betten im Bettenplan reduziert werden soll. Somit werden die für die Patienten wichtigen neuen Behandlungsstrukturen des Hometreatments wahrscheinlich eher behindert als gefördert.

Auch der zeitliche Einführungsplan wurde nochmals überarbeitet. Zum 01.01.2017 soll das PsychVVG in Kraft treten, womit hier nochmal eine Möglichkeit für Interessenten zum Optieren geschaffen wird. Des Weiteren sollen zum Halbjahr alle bis dahin noch fehlenden Vereinbarungen in der Selbstverwaltung fertiggestellt sein, damit zum 1.1.2018 die zwangsweise Einführung für alle Häuser deutschlandweit erfolgen kann. Das impliziert einen sehr straffen Zeitplan, der noch viele Unwägbarkeiten in den Details bereithält. Entsprechend gibt es bis dahin noch sehr viel zu tun. So sind erfahrungsgemäß die meisten KIS-Systeme den Anforderungen durch PEPP bisher nicht oder nur sehr rudimentär gewachsen, und auch viele interne Prozesse und Organisationsabläufe müssen evaluiert und angepasst werden, damit die Konsequenzen dieser Systemveränderungen nicht letztlich auf die behandelnden Mitarbeiter und die Patienten abgewälzt werden. Die bisherigen Geschehnisse in den Optionshäusern haben jedenfalls auch schon vor diesem neuen Gesetzesentwurf deutlich gezeigt, dass es mindestens 1,5 bis 2 Jahre dauert, bis sich dieses neue System in einem einzelnen Krankenhaus auch nur annähernd gefestigt hat – mit allen Konsequenzen auf Arbeitsabläufe, Organisation, Dokumentationspflichten, Mitarbeiterzufriedenheit, Behandlungsqualität und nicht zuletzt der Erlössituation. Dazu kommen natürlich noch die jährlichen Veränderungen, die es den Mitarbeitern ebenfalls nicht einfacher machen, sich im System zurechtzufinden.

Betrachtet man den nun im Gesetzesentwurf aufgeführten Zeitplan, sind auch nur diese knappen zwei Jahre zur Vorbereitung und Einführung vorhanden, denn 2018 und 2019 werden zwar als budgetneutrale Jahre festgehalten, die Konvergenzphase (die schrittweise Anpassung an einen Landesbasisfallwert) entfällt allerdings, weswegen 2020 die Budgets dann direkt belastet werden – ohne den Schutz einer langsamen Annäherung.

Insgesamt lassen sich die finanziellen Belastungen auf Seiten der Krankenhäuser für die Umstellung nur schwer voraussagen, denn im Entwurf wird zwar vorangestellt, dass kaum belastbare Zahlen zu sich ergebenden Kosten zu spezifizieren sind, trotzdem wird aber mit konkreten Werten auf Kosten-, aber vor allem auf Einsparungsseite argumentiert. So werden die allgemeinen Einführungskosten auf der IT-Seit mit 55.000€ angegeben, aber nicht dazu gesagt, wie sich diese Schätzung errechnet. Aus unserer Sicht sind allein solche Beispielzahlen wohl übertrieben optimistisch geschätzt. Auch ist noch überhaupt nicht absehbar, wie sich die Kosten für Anpassungen der Abläufe in den Kliniken sowohl im patientennahen aber auch im patientenfernen Bereich gestalten werden.

Zusammenfassend zeigt sich also, dass sich das PEPP-System trotz aller vollmundiger Ankündigung wie der Phönix aus der Asche erhebt. Also gilt tatsächlich: Totgesagte leben länger – PEPP ist tot, lang lebe PEPP!

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